'Neue Frau 2.0',  Fashion

Die ‚Neue Frau 2.0‘: Einleitung (Teil 1)

Was haben Modejournale der Weimarer Republik und das darin repräsentierte Bild der ‚Neuen Frau’ und Modeblogs und die darauf agierende digital-performative Bloggerin gemeinsam? Auf den ersten Blick scheint dies nicht allzu viel zu sein, doch bei genauerer Betrachtung wird schnell deutlich, dass diese beiden Frauentypen mehr als nur den modischen Konsumwahn miteinander teilen. Genau diese Parallelen möchte ich in der Artikelreihe ‚Die Neue Frau 2.0‘, die auf den Ergebnissen meiner Bachelorarbeit aufbaut, aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. 

Die ‚Neue Frau‘ & die Bloggerin: Wie sinnvoll ist ein Vergleich?

Sowohl in der Weimarer Republik als auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts sorgten bzw. sorgen technische Innovationen nach einer Jahrtausendwende für mediale Umbrüche, die sich wiederum auf die Gesellschaft und vor allem auf die Geschlechterordnung auswirken. Aus dieser massenmedialen Demokratisierung heraus hat sich in der Zwischenkriegszeit mit der ‚Neue Frau’ und zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit der Modebloggerin jeweils ein Frauentypus entwickelt, der als eine „Identifikationsfigur“ (Kessemeier 2000: 31) fungiert, dessen charakterlichen und optischen Zuschreibungen eine ganze Generation von Frauen geprägt hat bzw. das Potenzial hat, zukünftige Generationen zu prägen.
Nachdem Frauen in den 1920ern erstmals ihr aufkeimendes Bedürfnis nach Emanzipation öffentlich ausleben wollten, die Gesellschaft jedoch noch nicht dazu bereit war, bietet die heutige Gesellschaft den Frauen nahezu alle Möglichkeiten dafür. Hierbei stellt sich allerdings die Frage, ob sie diese auch ausschöpfen? Der Modeblog, als ein ‚digitales Tagebuch’, scheint auf den ersten Blick eine Plattform zu sein, auf der Frauen selbstbestimmt ihre Interessen und auch Gefühle offenbaren können, doch wie positioniert sich die Bloggerin wirklich auf diesem Medium? Zeigt sie ein vielfältiges Interessenspektrum oder bewegt sie sich lediglich in stereotypen Lebensbereichen, wie sie es den längsten Zeitraum in der Geschichte getan hat bzw. dazu gezwungen wurde? Im Kontrast dazu soll der in den Modejournalen repräsentierte revolutionäre Frauentypus der ‚Neuen Frau’ stehen, der sich vor dem Hintergrund der zeitlichen Einordnung, auf den ersten Blick deutlich mutiger und selbstbewusster präsentiert.
Das Ziel dieser Serie ist es schließlich, nicht nur die Parallelen und Widersprüche der medialen Reproduktion dieser beiden Frauentypen herauszuarbeiten, sondern auch zu ergründen, in welche Rolle die Frau durch weiblich konnotierte Medien, wie Modejournale und –blogs, gedrängt wird bzw. sich selbst drängt und was aus soziokultureller Sicht genau dazu führt.

DIESE Materialien dienen als Grundlage für die Artikelreihe

Um die verschiedenen Analyseebenen dieser Fragestellung untersuchen zu können, gründet der Großteil dieser Artikelreihe auf einschlägiger, nach Aktualität und Relevanz gefilterter Fachliteratur, Aufsätzen und Artikeln, sowohl aus der Modetheorie und der Medienwissenschaft als auch aus den Gender Studies und der Soziologie. Da sich ein Vergleich jedoch nicht allein über die vorhandene Literatur herstellen lässt, habe ich ebenfalls ausgewählte Modemagazine und -blogs gesichtet. Da die Inhalte dieser beiden Medien dicht mit den Interessen der weiblichen Zielgruppe verwoben sind, könnte es wohl kaum eine geeignetere Bezugsquelle, vor allem mit dem Blick auf die Repräsentation eines spezifischen Frauentypus, geben (Vgl. Völkel 2006: 150).
Vertretend für die Modejournale der Weimarer Republik steht in dieser Arbeit eines der führenden Magazine dieser Zeit Die Dame (Vgl. Petro 1989: 86), die aus der 1874 gegründeten Illustrierte Frauenzeitung der Lipperheideschen Produktion 1912 an den Ullstein Verlag abgetreten und schließlich umbenannt wurde. Mit Vorbildern, wie dem britischen Tatler oder der französischen Vogue (Vgl. Zika 2006: 177, zit. n. Krempel 1935: 101), hat sich Die Dame zu einem Gegenpol der anspruchsloseren Publikationen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt (Vgl. Rosenbrock 1942: 179) und knüpft so an die luxuriösen und eleganten Journale der Zeit um 1800 an (Vgl. Zika 2006: 177, zit. n. Krempel 1935: 101). Die in dem Magazin vorgestellten Trends aus Paris und die auf die Interessen und Bedürfnisse der ‚Neuen Frau’ abgestimmten Artikel haben sich einer derart großen Beliebtheit erfreut, dass das Modejournal bis 1929 eine Auflage von 53.300 Exemplaren erreichte (Vgl. Follmann 2010: 64).
Demgegenüber stehen drei weiblich geführte Modeblogs und die dazugehörigen Profile auf Instagram aus dem deutschsprachigen Raum, die sich in den vergangenen zehn Jahren in der Blogosphäre etablieren konnten und einen kleinen Überblick über dieses mannigfaltige Medium schaffen. Diese drei ‚digitalen Tagebücher‘ wurden vor allem deshalb gewählt, weil sie drei unterschiedliche Typen darstellen, die vermehrt in der Blogosphäre zu finden sind, dabei aber alle zu dem Genre des ‚Personal Style Blogs’ gehören (Findlay 2017: 27ff.).

  1. Der Blog Sellys Secrets, im Jahre 2014 von Selina Fröhlich gegründet (Vgl. www.sellyssecrets.blogspot.com), steht stellvertretend für die stereotype Modebloggerin, die sehr viel Wert auf ihr modisches Erscheinungsbild legt und scheinbar ohne fundiertes Wissen über Mode schreibt: „Mein heutiger Look spiegelt recht gut wider, was ich aktuell gerne mag. In das Smaragdgrün des Pullovers habe ich mich wirklich verliebt […]. Der weit schwingende Rock mit den Perlen greift eine [sic] zweiten Trend auf, welcher bei jedem Fashionblogger zu finden ist, und passend zur Jahreszeit einen gewissen weihnachtlichen Touch vermittelt.“ (Fröhlich 2018b).
  2. Die Bloggerin Jana Wind, welche die Seite bekleidet im Jahre 2009 gegründet hat, verkörperte anfangs ebenfalls diesen Typus. Allerdings hat sie sich in den vergangenen zwei Jahren auf inhaltlicher Ebene mit Artikeln über nachhaltige Lebensweisen (z. B. 10 Dinge, die du sofort aussortieren kannst) oder zu polarisierenden Themen (z. B. Ertrink doch in deinen Detox-Tees) deutlich von den oberflächlichen und konsumorientierten Inhalten andere Bloggerinnen distanziert und legt nun verstärkt Wert auf langlebige, gesellschafts- und konsumkritische Artikel, die der Leserschaft einen gewissen Mehrwert bieten (Vgl. www.bekleidet.net).
  3. Als dritte Quelle dient der Blog fashiioncarpet, der 2012 von Nina Schwichtenberg gegründet wurde und heute, gemessen an der Zahl ihrer Follower auf Instagram (ca. 315 Tsd.), zu den erfolgreichsten Plattformen in der deutschen Blogosphäre zählt. Die Gründerin kommt, anders als ein Großteil der Modebloggerinnen, bereits aus der Modebranche. Bevor sie sich mit ihrem Blog selbstständig gemacht hat, war sie als Modejournalistin für diverse Modemagazine tätig, „[…] habe ich den Blog bisher “nur“ als Hobby betrieben und Vollzeit als Online-Moderedakteurin gearbeitet“ (Vgl. Schwichtenberg 2015), was wiederum an der inhaltlich anspruchsvollen und ästhetischen Aufbereitung ihres Blogs deutlich wird (Vgl. www.fashiioncarpet.com).

Die ‚Neue Frau 2.0‘: SO geht es weiter

Da dieses Thema viel zu umfangreich wäre, um es auf einen Schlag zu publizieren, wird nun jeden Sonntag eines von circa zwölf Kapiteln auf dem Blog veröffentlicht. Während die nächsten drei Artikel erst einmal einen Gesamtüberblick schaffen sollen und sich sowohl mit den Modejournalen in der Weimarer Republik und den Blogs des digitalen Zeitalters als auch mit der gesellschaftlichen Stellung der Frau in den vergangenen 100 Jahren beschäftigen, werden die nachfolgenden Artikel den eigentlichen Vergleich beleuchten.
Damit die Sicht auf dieses Thema allerdings nicht zu eintönig wird, soll die Fragestellung aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, analysiert und problematisiert werden. Der erste große Themenkomplex (5 Artikel), der auf der Sichtung des Journals Die Dame und den drei vorgestellten Modeblogs basiert, wird sowohl das Modejournal als auch den Modeblog und das darin repräsentierte Bild der ‚Neuen Frau’ nach seinen Inhalten, wie beispielsweise Artikeln, Fotografien oder Werbungen, vergleichen und Bezug zu modetheoretischen Ansätzen nehmen. Dagegen sollen die letzten drei Artikel  die Perspektive wechseln und die unterschiedlichen Frauentypen, die hinter dem jeweiligen Medium stecken, aus soziokultureller Sicht miteinander vergleichen, um erschließen zu können, warum die ‚Neue Frau’ und die Bloggerin so präsentiert wurden/werden bzw. sich selbst so präsentierten/präsentieren, wie es in den Moderjournalen und auf den Blogs zu sehen ist.
Für alle, die jetzt ein wenig neugierig geworden sind; am kommenden Sonntag geht es dann mit dem Teil ‚Modejournale in der Weimarer Republik‘ weiter. 

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Verwendete Literatur:
Findlay, Rosie (2017): Personal Style Blogs. Appearances that Fascinate, Bristol & Chicago: Intellect Ltd.
Follmann, Sigrid (2010): Wenn Frauen sich entblößen…. Mode als Ausdrucksmittel der Frau der zwanziger Jahre, Marburg: Jonas Verlag.
Kessemeier, Gesa (2000): Sportlich, sachlich, männlich: Das Bild der >Neuen Frau< in den Zwanziger Jahren. Zur Konstruktion geschlechtsspezifischer Körperbilder in der Mode der Jahre 1920 bis 1929, Dortmund: Edition Ebersbach.
Petro, Patrice (1989): Joyless Streets. Women and Melodramatic Representation in Weimar Germany, New Jersey: Princeton University Press.
Rosenbrock, Edith (1942): Die Anfänge des Modebildes in der deutschen Zeitschrift. Charlottenburg: Lorentz.
Völkel, Anika (2006): Die Modezeitschrift. Vom “Journal des Luxus und der Moden” zu “Brigitte” und “Elle”, Hamburg: Verlag Dr. Kovač.
Zika, Anna (2006): Ist alles eitel? Zur Kulturgeschichte deutschsprachiger Modejournale zwischen Aufklärung und Zerstreuung. 1750-1950, Weimar: Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften.

Internetquellen:
Fröhlich, Selina (2018b): [OOTD] Baker Boy, auf: Sellys Secrets, [online] https://sellyssecrets.blogspot.com/2018/12/ootd-baker-boy.html [10.01.2019].
Schwichtenberg, Nina (2015): Tschü. Festanstellung, Hallo Selbstständigkeit: Ab heute blogge ich Vollzeit, auf: fashiioncarpet, [online] https://fashiioncarpet.com/vollzeit-bloggen/ [10.01.2019].

Photo Credit: Die Damen (Ullstein Verlag)/Unsplash

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