'Neue Frau 2.0',  Fashion

Die ‚Neue Frau 2.0‘: Modeblogs als digitale Alternative zu Modemagazinen (Teil 3)

Ein Vergleich der ‚Neuen Frau‘ in den Modejournalen der Weimarer Republik mit der Bloggerin auf ihren digitalen Plattformen im 21. Jahrhundert – hört sich im ersten Moment ein wenig abstrakt an, doch in der Artikelserie ‚Die ‚Neue Frau 2.0“ sollen Parallelen und Unterschiede dieser beiden Frauentypen beleuchtet werden. Doch um die Weiblichkeitsentwürfe verstehen zu können, ist es wichtig das Medium zu verstehen, auf dem sie sich präsentieren. Daher dreht sich in dem dritten Teil dieser Themenreihe alles um Modeblogs, ihre Geschichte und ihre Inhalte.
Modeblogs sind nach wie vor ein sehr junges Medium, welches erst Mitte der 2000er Jahre (Vgl. Bradford 2015: 199), im Zuge der zunehmenden Digitalisierung, seinen Ursprung im World Wide Web fand und dementsprechend jung ist auch noch das Forschungsfeld in der Kulturwissenschaft. In diesem Kapitel soll daher die bisher nur stiefmütterlich behandelte Frage, was Modeblogs genau sind und wie sie sich von anderen Medien der Modebranche, vor allem von Modejournalen, unterscheiden, beantwortet und der aktuelle Forschungsstand, speziell zu den Modeblogs im deutschsprachigen Raum, skizziert werden.

Was sind eigentlich Blogs und wie funktionieren sie?

Um jedoch das Genre Modeblog genauer untersuchen zu können, bedarf es zunächst einer Definition des Teilbegriffs Blog, der als eine Kurzform von Weblogs genutzt wird (Vgl. Rettberg 2014: 6). Die Geschichte von Blogs lässt sich bis in die späten 1990er zurückverfolgen und in ihrem Aufbau erinnern sie an klassische Webseiten. Jedoch unterscheidet sich dieses Medium auf der oberflächlichen Ebene in seiner dynamischen Aufmachung, der rückwärtigen chronologischen Abfolge der Artikel und in der Benutzung der ersten Person Singular von den traditionellen Webseiten (Vgl. Tremayne 2007: vii). Mit Hilfe eines Content Management Systems (CMS), eine Technologie, mit der sich die Inhalte eines Blogs erstellen, formatieren und publizieren lassen, schreiben private Menschen zum Teil über sehr persönliche Dinge (Vgl. Huber 2010: 31) und „[…] nutzen ihre Journale zur Selbstdarstellung und zum Informationenaustausch“ (ebd.: 33). So bilden Blogs, unter anderem durch ihre „starke Vernetzung“ (ebd.: 31), ein soziales Netzwerk, welches die einzelnen NutzerInnen miteinander verbindet und so eine digitale Öffentlichkeit, auch Blogosphäre genannt, entsteht (Vgl. Tremayne 2007: vii). Vor diesem Hintergrund können die digitalen Plattformen auch als ein Beitrag zum sozialen und kulturellen Verständnis einer Gesellschaft fungieren (Vgl. Mora & Rocamora 2015: 150), der die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Kultur des beginnenden 21. Jahrhunderts skizziert.

SO entwickelten sich Modeblogs in den vergangenen 15 Jahren

Während Blogs mit Themenschwerpunkten, wie Technik oder Politik, hauptsächlich dem bereits genannten Zweck des Informationsaustausches dienen, sind Modeblogs, in dieser Artikelserie speziell „[p]ersonalisierte Fashion Blogs, in denen […] die BloggerIn am eigenen Leib Mode vorführt“ (Eismann 2015: 179), vielmehr ein Medium zur Selbstdarstellung. Allerdings hat sich dieses Medium in Deutschland, im Vergleich zu internationalen Plattformen, wie  beispielsweise Susanna Laus Blog ‚Style Bubble‘ oder Scott Schumans ‚The Sartorialist‘, die bereits Mitte der 2000er einem breiten Publikum bekannt waren, ein wenig langsamer entwickelt (Best 2017: 229).
Im Jahr 2007 konnten sich erstmals vereinzelnd größere Blogs, wie die von Julia Knoll und Jessica Weiss gegründete Seite ‚Les Mads‘, in der deutschen Medienlandschaft etablieren (Vgl. Hanssen & Nitzsche 2010: 19). Die eigentliche Florierung der deutschen Bloggerszene fand schließlich fünf Jahre später statt und ein erweiterter Kreis von sogenannten A-Bloggerinnen, zu denen unter anderem Nina Schwichtenberg, Maria Astor oder das Duo Sarah Gottschalk und Nike van Dinther zählen, sitzen nicht nur in den ersten Reihen internationaler Fashion Weeks, gehen Kooperationen mit namenhaften Labels ein und bestimmen das Agenda Setting in der Blogosphäre maßgeblich (Vgl. Huber 2010: 35), sie haben auch eine eigene Marke aufgebaut (Vgl. Bradford 2015: 201). So hat dieses größtenteils weiblich besetzte digitale Phänomen des beginnenden 21. Jahrhunderts (Vgl. Eismann 2015: 179) die bestehenden Machtverhältnisse in der Modeindustrie verschoben und bildet mittlerweile eine wichtige Säule der Medienlandschaft der Modebranche, da sie als ein medialer Gegenpol zu den tradierten Modemagazinen im digitalen Zeitalter fungieren (Vgl. Mora & Rocamora 2015: 149f.) und sich „[…] zu einer eigenen Vermittlungsinstanz in der Mode entwickelt haben“ (Titton 2010).

Die wesentlichen Unterschiede zwischen Modemagazinen und -blogs

Der wesentliche Unterschied zwischen Modeblogs und Modejournalen liegt darin, dass das digitale Medium scheinbar unabhängig von Werbeträgern ist, also dass die Bloggerin die Inhalte frei wählen und aufbereiten kann (Vgl. Bradford 2015: 199). In diesem Zusammenhang dienen Blogs als ein Tor zur Modewelt, welches (vermeintlich) jedem Interessenten – unabhängig, ob dem elitären Kreis zugehörig oder nicht – ermöglicht sie zu betreten. Damit setzen sie einen wichtigen Impuls im Bezug auf die Demokratisierung der Mode (Vgl. ebd.: 208). Allerdings stellt sich hierbei die Frage, ob die Einbettung von Mode in einen (scheinbar) alltäglichen, urbanen Kontext lediglich eine Illusion von Demokratisierung vermittelt, da auch die Blogosphäre, wie jeder andere mediale Bereich, ebenfalls von Grenzen definiert wird (Vgl. Titton 2010).
Gleichzeitig werden in der Fashionbranche, vor allem aus den journalistischen Kreisen, kritische Stimmen laut, die der Meinung sind, dass Modebloggerinnen ihren Erfolgszenit überschritten haben (Vgl. Bradford 2015: 200). Diesen Plattformen wird Credibility abgesprochen, da es an fundiertem Wissen und kritischen Ansichten mangelt und lediglich das Leben und der Kleiderschrank junger Mädchen porträtiert wird (Vgl. ebd.: 200). Jedoch geht es auf Modeblogs nicht nur um das Präsentieren der eigenen Person als eine Marke und dem Teilen von Wissen (Vgl. Huber 2010: 35), es steht vielmehr ein Dialog zu der Community im Vordergrund, wo Leserinnen und Bloggerinnen mittels Kommentarfunktionen in Kontakt treten und sich austauschen können (Vgl. ebd.: 31). Diesen persönlichen Zugang können Modemagazine dagegen nicht leisten.
Auch wenn eine gewisse Feindseligkeit des Modejournalismus gegenüber der Blogosphäre zu beobachten ist, so sind doch beide Medien eng miteinander verwoben. Besonders vor dem Hintergrund, dass sich die Blogosphäre in den vergangenen zehn Jahren um 180° gedreht hat, ist eine Annäherung dieser beiden medialen Bereiche zu beobachten. Während namenhafte Modemagazine, wie die Vogue oder Elle, mittlerweile eigene Blogs, sogenannten ‚Professionals’, zu ihrem Medienauftritt zählen (Vgl. Engholm & Hansen-Hansen 2013: 141), ist vor allem aus Sicht der Blogosphäre eine deutliche Professionalisierung und Orientierung an dem Printmedium zu beobachten. Nicht nur das Layout, welches sich durch technische Upgrades mittlerweile einfacher formatieren lässt, lehnt sich immer stärker an den Aufbau der Modejournale an, auch die professionellen Fotografien und die Inhalte, insbesondere die kommerziellen Inhalte, „[…] verwischen die einst so sauber definierten Grenzen zwischen Journalismus und PR“ (Huber 2010: 167). Somit orientiert sich dieses junge Medium an dem Weg, den Modejournale bereits gegangen sind und vollführt einen Spagat „zwischen Kunst und Kommerz“ (Lehnert 1998a: 13).
Dies liegt insbesondere daran, dass die Mode- und Textilindustrie „die Zentralität dieses Mediums für die Verbreitung der Mode“ (Titton 2010) und das Werbepotenzial dieser ‚digitalen Tagebücher’ erkannt hat und die Bloggerinnen sich um ihre vorteilhafte Position bewusst sind. Dies ist unter anderem ein wichtiger Grund dafür, dass in den vergangenen Jahren die Anzahl der professionell betriebenen Modeblogs, die den renommierten Modemagazinen auf Augenhöhe begegnen, immer weiter angestiegen ist (Vgl. Huber 2010: 167).

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Verwendete Literatur:
Best, Kate Nelson (2017): The History of Fashion Journalism, London & New York: Bloomsbury Publishing Plc.
Bradford, Julie (2015): Fashion Journalism, London & New York: Routledge Taylor & Francis Group.
Eismann, Sonja (2015): An den Rändern der Hauptstraße. Street Style Blogs zwischen kommunikativem Kapitalismus und dessidenter Artikulation, in: Gürtler, Christa (Hrsg.): Kleiderfragen. Mode und Kulturwissenschaft, Bielefeld: transcript Verlag, S. 177-192.
Engholm, Ida; Hansen-Hansen, Erik (2014): The fashion blog as genre – between user-driven bricolage design and the reproduction of established fashion system, in: Digital Creativity. 25:2, 140-154.
Hanssen, Kristin; Nitzsche, Felicia (Hrsg.) (2010): Fashion Blogs. From musings on personal taste to style reports around the globe, Zwolle: d’jong Hond.
Huber, Melanie (2010): Kommunikation im Web 2.0. Twitter, Facebook & Co, 2., überarbeitete Aufl., Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH.
Lehnert, Gertrud (1998a): Mode, Weiblichkeit und Modernität, in: Lehnert, Gertrud (Hrsg.): Mode Weiblichkeit und Modernität, 1. Aufl., Dortmund: edition ebersbach, S. 7-19.
Mora, Emanuela; Rocamora, Agnès (2015): Letter from the Editors: Analyzing Fashion Blogs—Further Avenues for Research, in: Fashion Theory, 19:2, 149-156.
Rettberg, Jill Walker: Blogging. Digital Media and Society Series, 2. Aufl., Cambridge & Malden: Polity Press.
Titton, Monica (2010): Mode in der Stadt. Über Street-Style-Blogs und die Grenzen der Demokratisierung von Mode, in: Texte zur Kunst. Juni 2010, Heft Nr. 78, S. 88-99 [online] https://www.textezurkunst.de/78/mode-der-stadt/ [04.01.2019].
Tremayne, Mark (Hrsg.) (2007): Blogging, Citizenship and the Future of Media, New York & London: Routledge Taylor & Francis Group.

Photo Credit: Unsplash

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